St. Eligiustage 1988, Trier

Die Mitglieder der Goldschmiede-Gilde des hl. Eligius trafen sich am Wochenende nach Aschermittwoch an zwei sonnigen Wintertagen in Trier, der ältesten Stadt Deutschlands.

Samstag, 20. Februar 1988

20 Uhr Treffen im Konferenzraum des Central-Hotels Stadthof Fetzenreich auf historischem Boden. Der Stadthof an der Sichelstraße in Trier wird schon nachweislich seit 1268 erwähnt.

Der Abend bot den Mitgliedern Gelegenheit zu einem Austauschgespräch über Vergangenes des letzten Jahres und Zukünftiges. Der Kurator, Goldschmiedmeister Werner Fischer, Ahlen, berichtete über die Aktivitäten der Gilde im Jahre 1987 und bat darum, sich Gedanken zu machen über die Wahl eines stellvertretenden Kurators.

Im Mittelpunkt stand jedoch die Diskussion um die Ziele, die von der Gilde angestrebt werden sollen.

Die Vergangenheit hat gezeigt, daß in zunehmendem Maße der Gold- und Silberschmied gefragt ist, wenn es um die Konservierung oder Restaurierung alter Kostbarkeiten der Goldschmiedekunst geht. Diese Aufforderung verlangt vom Goldschmied nicht nur Kenntnisse über alte Herstellungstechniken, sondern auch ein Wissen um das Werden der Kunstwerke. Dieses Wissen sollte nicht nur historisches, sondern auch aktuelles, vom Goldschmied gelebtes Wissen sein. Daß dieses Wissen heute nicht genügend vorhanden, nicht gefragt ist, zeigt sich auch darin, daß Goldschmieden im Vergleich zu früher kaum noch die Möglichkeit geboten wird, Sakralgerät zur Ehre und zum Ruhme Gottes anfertigen zu dürfen.

Ein Beispiel:

Von vier in Aachen geweihten Priestern entschied sich nur ein Primiziant für einen neuen Kelch, der von einem Goldschmied entworfen und gefertigt wurde. Die Mitglieder der Gilde waren der Auffassung, daß es deshalb notwendig sei, der Öffentlichkeit im geeigneten Rahmen zu demonstrieren, daß Goldschmiede, die sich christlichen Idealen verpflichtet fühlen, sehr wohl in der Lage sind, würdevolles liturgisches Gerät zu gestalten.

Die Teilnehmer der Versammlung waren der Ansicht , daß dieses eine Aufgabe für die Mitglieder der Goldschmiedgilde des hl. Eligius sei.So entschloß man sich, zu einer Ausstellung eigener, neu angefertigter Kelche im Rahmen des Katholikentages 1990 in Berlin aufzurufen.

Die Teilnahme an einem Katholikentag gewährleistet nach Auffassung der Gildemitglieder eine große Offenheit und Diskussionsplattform. Als Erweiterung könnte dann, um sich der Kirche in der Gesamtheit zuzuwenden, auch eine Ausstellung auf einem Evangelischen Kirchentag organisiert werden.

Das gewählte Thema „Kelch“ wurde von allen Mitgliedern der Goldschmiede-Gilde des hl. Eligius als anspruchsvolle und deshalb fordernde Zielsetzung für das eigene künstlerische Schaffen bejaht.

Sonntag, 21. Februar

10 Uhr Hochamt in der Trierer Welschnonnen-Kirche, das eigens für die Juweliere, Gold- und Silberschmiede Deutschlands von Monsignore Prof. Dr. Franz Ronig, zelebriert wurde. Der Organist ließ die Pfeifen der alten Orgel laut erklingen und die anwesenden Gildemitglieder stimmten ein mit ihrem Gesang.

Prof. Dr. Ronig stellte zum Eingang der Feier den Anwesenden den hl. Eligius mit seinen besonderen Tugenden vor. Er betonte die Beharrlichkeit des Willens des hl. Eligius, das nach seinen Kräften und Fähigkeiten Mögliche und Gute zu tun. Vom Leben des hl. Eligius wird berichtet, daß er sich den Notleidenden sehr verpflichtet fühlte. Ein Teil seines Vermögens verwandte er zum Loskauf von Slaven. Die Vorbildlichkeit und Bedeutung des Heiligen für die Lebensaufgabe des Menschen von heute, speziell für den Berufsstand des Gold- und Silberschmiedes, versuchte Prof. Dr. Ronig in seiner Predigt aufzugreifen, in der er an den schöpferischen Eigensinn seiner Zuhörer appellierte. Eigensinn sei in der Bedeutung von Individualität eine positive Gabe. Jeder Goldschmied habe die Aufgabe, seinen Eigensinn in der Nachfolge des hl. Eligius herauszufordern und sich ihm zu stellen.

Viele Anwesende und Mitfeiernde werden diese und andere Gedanken noch lange bewegen. Sie können Schub- und Triebkraft für zukünftiges berufliches Selbstverständnis und daraus erwachsendes Gestalten von liturgischem Gerät sein.

Nach dem Gottesdienst versammelten sich die Gildmitglieder in der alten romanischen Domschatzkammer.

Prof. Dr. Ronig, Bistumskonservator und Kustus des Domschatzes in Trier, stellte die Schätze und Räumlichkeiten mit profunder Sachkenntnis vor.Dieser, als Lagerkammer konzipierte Aufbewahrungsraum, besitzt nach außen hin nur kleine Fensteröffnungen, die keinen Einlaß durch die dickwandigen Mauern gewährten. Auch die Türen sind in ihren Ausmaßen bescheiden. Obere Kammer und Hauptkammer verbindet nur ein kleines Loch, in das man hinabsteigen mußte. Erst die Schatzkammern der Gotik wurden teilweise so gebaut , daß man in ihnen das Kirchengerät nicht nur aufbewahrte, sondern es auch – vergleichbar mit den heutigen Museen – dem Besucher würdevoll zur Verehrung zeigen konnte. Wie man das Nützliche mit dem Praktischen zu verbinden verstand, zeigen einige Schatzkammern, die am Türeingang außen eine Kanzel hatten, damit den Besucherscharen oder Wallfahrern Gelegenheit gegeben werden konnte, eine Predigt zu hören.

Die heutige Schatzkammer des Trierer Domes ist die alte Bibliothek. Im Zuge von Umbaumaßnahmen entschloß man sich 1974, die Bücher auszulagern und die Bibliothek zu einer Schatzkammer umzurüsten. Man beschränkte sich bei der Planung des Repräsentationskonzeptes auf wichtige und kulturhistorisch bedeutsame Kunstschätze.

So galt das besondere Interesse der Mitglieder der Gilde dem Schrein mit der Sandale des Apostels Andreas, der gleichzeitig als Tragaltar geschaffen worden war. Eine lange Inschrift am Schrein sagt, daß Bischof Egbert diesen Schrein anzufertigen befahl. Die Entstehungszeit wird demzufolge in den Zeitraum 977-993 gelegt.

Als einer der Höhepunkte abendländischer Goldschmiedekunst würdigten die anwesenden Goldschmiede den Schrein mit fachmännischen Blicken. Der Schatzkammer angegliedert ist ein Magazin und eine Werkstatt für Restauratoren. Ein Evangeliar aus der Werkstatt Roger von Helmershausen, das hier für den Zweck einer Ausstellung in Hildesheim repariert wurde, bildete den Anlaß, vor Ort über Techniken und Möglichkeiten der Restaurierung aus der Sicht von Wissenschaftlern und Praktikern kontrovers zu diskutieren.

Die Mitglieder der Goldschmiede-Gilde des hl. Eligius kehrten, mit Erfahrungen bereichert, in ihre Werkstätten und Ateliers zurück. Das schon jetzt in den Blick genommene Treffen wird 1989 in Aachen stattfinden. Der dort gehütete und neu restaurierte Karlsschrein wird bis zu diesem Zeitpunkt fertiggestellt sein.

Das Foto zeigt Mitglieder und Freunde der Goldschmiede-Gilde des hl. Eligius, während der Eligiustage 1988 bei einer Führung in der romanischen
Schatzkammer des Domes durch den Diözesan-Konservator Prof. Dr. Roning, Trier. (WF)